Enkeltauglichkeit
Und da war noch …
... die Sache mit der Enkeltauglichkeit
Ein Beitrag unserer Kolumnistin C. Eißing
Neulich stolperte ich über den neuen Begriff 'Enkeltauglichkeit', und sogleich stellten sich mir die Nackenhaare auf.
Müssen Großeltern jetzt etwa einen Nachweis erbringen, dass sie in der Lage sind ihre Enkelkinder zu beaufsichtigen oder zu betreuen?
Dabei muss man wissen:
Fast die Hälfte der Großeltern in Deutschland (48 Prozent) übernimmt regelmäßig praktische Aufgaben im Haushalt ihrer Kinder. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen forsa-Umfrage. Ganz vorn dabei und besonders beliebt ist die Betreuung der Enkelkinder. Für die Kleinen bedeutet das: Neben Mama und Papa wird auch Oma oder Opa zur wichtigen Bezugsperson. Eine Entwicklung, von der alle drei Generationen profitieren können.
Wie gut, dass es uns Großeltern gibt!
Oder handelt es sich etwa um den neuesten Enkeltrick?
Zum Beispiel die Werbung für Schmerzsalben, die stets nach demselben Muster funktioniert – Enkel muss zu Oma und Opa und grault sich, weil es vermutlich furchtbar langweilig werden wird, denn Opa hat (Zitat) 'böses Aua', und Oma hat Rücken. Wäre da nicht die tolle Salbe, mit der sich Oma und Opa für den Enkel einsatzfähig dopen. Liebe nur gegen Leistung, auch im hohen Alter.
Das macht ärgerlich, oder nicht?
Tatsächlich aber liege ich mit meinen Befürchtungen zum Glück falsch.
Das Wort 'enkeltauglich' findet sich zum ersten Mal in einer Publikation namens »Kinderagenda für Gesundheit und Umwelt 2001« des »Netzwerks Kindergesundheit und Umwelt«. Die Anregung dazu erfolgte auf Initiative der damaligen Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt und des Umweltministers Jürgen Trittin. Im Rahmen des Aktionsprogramms Umwelt und Gesundheit (APUG) 2001 hatten die beiden Ministerien das Projekt »Vernetzung der Nichtregierungsorganisationen im Bereich Kind – Umwelt – Gesundheit« angestoßen und gefördert. Die entsprechende Arbeitsgruppe veröffentlichte das Ergebnis in ihrem Magazin »Pädiatrische Allergologie«, Ausgabe 4 / 2001. Dort heißt es auf Seite 28: »Die unterzeichnenden Nichtregierungsorganisationen fordern ein konsequent präventives und damit enkeltaugliches Handeln für jede Kinder- und Jugendgeneration. Adressaten sind Entscheidungsträger in allen gesellschaftlichen Bereichen wie Politik, Wirtschaft, Medien, Wissenschaft, Umwelt und Gesundheit. Mit dem Begriff 'Enkeltauglichkeit' wollen wir Nachhaltigkeit plastisch und begreifbar werden lassen.«
Diese neue Wortschöpfung bedeutet also im Klartext: nachhaltig, dauerhaft, zukunftsfähig, so dass letztlich alle Politik sich daran zu messen hat, dass auch die Enkelkinder eine lebenswerte Zukunft vorfinden.
Eine Gruppe Studierender der FH Münster bekam in dem Seminar 'Denkwerkstatt: Enkeltaugliche Lebensweise für alle' die Aufgabe realisierbare Ideen zu entwickeln, wie sozial und finanziell benachteiligte Menschen an einem nachhaltigen Lebensstil teilhaben können. Niemanden zurückzulassen und auch die Schwächsten auf diesem Weg mitzunehmen ist eine wesentliche Forderung der Agenda 2030, in der die 17 UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung definiert sind.
Die Studenten präsentierten ihre Ergebnisse in Form von vier sehenswerten Filmen, die abrufbar sind unter:
https://www.fh-muenster.de/oecotrophologie-facility-management/aktuelles/enkeltaugliche-lebensweise-fuer-alle.php
Hierbei steht beispielhaft die Landwirtschaft als sichtbarstes Glied in einer langen Kette von Abhängigkeiten und Vernetzungen, die bei der Erdölförderung beginnt, über die Düngemittel-, Pestizid- und Saatgutindustrie oder den Maschinenbau führt und beileibe nicht im Supermarkt oder in der Müllverbrennung endet.
Umweltverschmutzung, Massenkonsum, Größenwahn - überall auf der Welt werkeln Menschen, die wissen, dass es so nicht weitergeht. Warum tun sie nicht, was sie wissen? Was müsste geschehen, damit sie trotz der existierenden Sachzwänge etwas anderes tun als bisher?
Was werde ich antworten, wenn mich meine Enkelinnen und Enkel danach fragen, was ich getan habe, um die Übernutzung der Erde, das Aussterben der Arten, die Verseuchung der Gewässer, die Verschmutzung der Ozeane, die Überhitzung der Atmosphäre etc. zu beenden?
Eine Welt, die unseren Enkelgenerationen zum Leben taugt – eine solche Welt ist sicherlich im Herzen der meisten Menschen als Wunsch verankert. Der Weg beginnt damit, die Menschen aufzuklären und zu ermuntern, dass auch kleine Schritte zu nachhaltigen Veränderungen in Richtung einer lebenswerten Umwelt führen.
Übrigens, das Wort 'enkeltauglich' steht NICHT im Duden …