Neujahrsgedanken

Neujahrsgedanken

Und da war noch …

... die Sache mit den Neu­jahrs­ge­dan­ken

Ein Beitrag unserer Kolumnistin C. Eißing

Beim Hinter-uns-lassen des alten und Eintreten ins neue Jahr befinden wir uns in einer Art Übergang, der durchaus Ängste wachrufen kann. Das wussten bereits unsere Ahnen in grauer Vorzeit und übten sich in vielfältigen Ritualen voller Magie und Zauber, was sich bis in unsere Neuzeit fortgesetzt hat. Denken wir nur an das Orakel des Bleigießens, an Böller zum Verjagen der bösen Mächte und an Feuerspiele in den Rauhnächten.

Das Alte ist unwiderruflich vorbei, das Neue noch nicht geschaffen.
Welche Spuren haben wir hinterlassen? Was kommt auf uns zu?
Schwierige Ereignisse, die wir schon meinten überwunden zu haben, können in dieser Übergangsphase wieder le­ben­dig werden und Emotionen sich ihren Raum suchen. In Trauer und Schmerz spüren wir die Endgültigkeit des Los­las­sens und des Abschieds. Sich die Zeit zu nehmen um dieses 'Dazwischen' bewusst wahrzunehmen, kann uns be­frei­en, stärken und Mut machen.
Räumen wir auf mit alten Vorstellungen und Dingen, die uns belasten und nicht (mehr) gut tun. Lösen wir uns von Ballast jeglicher Art, von unliebsam gewordenen Eigenschaften, von For­de­run­gen Dritter, von einer Rolle, die nicht mehr zu uns passt, von Ge­wohn­hei­ten, die uns nicht mehr mit Freu­de erfüllen.

An dieser Stelle möchte ich ein Sprichwort aus Japan zitieren:
'Es gibt ein Bleiben im Gehen,
ein Gewinnen im Verlieren,
im Ende einen Neuanfang.'

Das Neujahr bietet uns allen die Mög­lich­keit eines Neuanfangs.
Egal wie groß oder klein er auch sein mag, diesen Beginn können wir selbst nach unseren Bedürfnissen gestalten. Wie wunderbar!
Nehmen wir uns die Zeit und träumen vom Kommenden, machen uns Ge­dan­ken und notieren Wünsche, Ziele und all das, was geändert werden möchte, aber auch das was so bleiben darf wie es ist, weil es gut ist und weil es sich bewährt hat.

Verplempern wir nicht die Chance, in dem wir uns Utopisches vornehmen. Sogenannte 'gute Vorsätze' (Gewicht reduzieren, mehr Bewegung, Gesundes essen, mehr für die Bildung tun, mit dem Rauchen aufhören usw. usw.) sind nach wenigen Tagen gescheitert und Rück­fäl­le vorprogrammiert. Setzen wir uns nicht unter Druck. Lieber ruhig durch­at­men, die Dinge beim Namen nennen, das Gespräch suchen, etwas bereinigen.
Versöhnlich und vertrauensvoll in die Zukunft zu blicken und kleine Schritte zu wagen, nur so kann man Ziele erreichen.

Zum guten Schluss möchte ich uns allen eines der bekanntesten Gedichte des Schriftstellers Hermann Hesse ans Herz legen, verbunden mit allen guten Wünschen für ein gesundes und fried­li­ches Jahr 2022.

Stufen

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
Dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
Zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe
Bereit zum Abschied sein und Neubeginne,
Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern
In andre, neue Bindungen zu geben.
Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne,
Der uns beschützt und der uns hilft, zu leben.
Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,
An keinem wie an einer Heimat hängen,
Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,
Er will uns Stuf‘ um Stufe heben, weiten.
Kaum sind wir heimisch einem Lebenskreise
Und traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen,
Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,
Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.
Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde
Uns neuen Räumen jung entgegen senden,
Des Lebens Ruf an uns wird niemals enden …
Wohlan denn, Herz, nimm Abschied und gesunde!

Unsere Kolumnistin

Claudia Eißing


    Weitere Kolumnen ...