Tagebuch

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Und da war noch …

... die Sache mit dem Tagebuch

Ein Beitrag unserer Kolumnistin C. Eißing

Zum Tag des Tagebuchs am 12. Juni habe ich als bekennender Schreiber ein neues Notizbuch angefangen.
Damit befinde ich mich in einer Reihe mit bekannten und berühmten Per­sön­lich­kei­ten. Allen voran natürlich Anne Frank, die wohl bekannteste Ta­ge­buch­schrei­berin, deren Ge­burts­tags­ge­schenk an eben diesem Tag im Jahr 1942 ihr erstes Tagebuch war. Nicht zu vergessen Max Frisch, Virginia Woolf, Franz Kafka, Thomas Mann und Erich Kästner. Aber nicht nur Literaten führten Tagebuch; auch von Richard Burton, Christoph Kolumbus und nicht zuletzt Albert Schweitzer gibt es ent­spre­chen­de Veröffentlichungen.

Gedanken zu Papier zu bringen kann in vielerlei Hinsicht viel bewirken: Wir halten nicht nur Banales, Intimes und Er­in­ne­run­gen fest, sondern wir ver­ste­hen uns selbst besser und er­ken­nen Ge­dan­ken- und Ver­hal­tens­mus­ter. Und die­se Er­kennt­nis­se tragen maßgeblich zur Per­sön­lich­keits­ent­wicklung bei.

Doch ganz so einfach ist es manchmal nicht. Folgende Situation:
Ein frisches Notizbuch liegt da und wartet nur darauf, mit genialen Ge­dan­ken und aufregenden Erlebnissen ge­füllt zu werden. Mit Enthusiasmus füllt man die ersten Seiten, hat täglich etwas zu erzählen, doch nach ein paar Tagen: Leere. Das Tagebuch verschwindet ganz hinten in der Schublade und gerät langsam, aber sicher in Vergessenheit. Schnell bekommt man das Gefühl, Tagebuchschreiben sei einfach nicht das Richtige. Aber ist das wirklich wahr?

Vielleicht hat man (wieder einmal) die Erwartungen zu hoch geschraubt? Die Messlatte zu hoch angesetzt? Sich selbst überfordert?

Kein Grund aufzugeben.
Zunächst einmal: Man ist niemandem Rechenschaft schuldig. Ta­ge­buch­schrei­ben ist ausschließlich eine Be­schäf­ti­gung für und mit sich selbst. Und außerdem: Es gibt viele hilfreiche und spannende Methoden, Tricks und Kniffe, um sich selbst bei Laune und der Stange zu halten.

Das kann ein 5-Minuten-Eintrag am Morgen sein, um konzentriert in den Tag zu starten. Oder nur jeden Sonn­tag­nach­mit­tag beim Kaffee eine auf­wän­dige Dokumentation mit Malen, Kleben, Verzieren usw.
Wichtig ist nicht die Häufigkeit, wobei eine gewisse Regelmäßigkeit er­fah­rungs­ge­mäß sinnvoll ist. Es geht viel­mehr um Gedanken, Ideen, Em­pfin­dun­gen – kurz: um inneres Er­leben.

Und hier die versprochenen Tipps:

  •  Laufenlassen: Die freieste Form des Schreibens. Dem Gedankenfluss fol­gen. Es gibt keinerlei Vorgaben. Gleich­gül­tig ob ganze Sätze, kor­rek­te Interpunktion usw.. Dem in­ne­ren Kri­ti­ker den Mund verbieten. Einfach mal machen.
  •  15 Minuten-Schreiben: Wecker stel­len und damit beginnen, was gerade im Kopf ist und hinaus will. Gleich­gültig ob Einkaufsliste oder ein Sorgenberg. Raus damit.
  •  Ein guter Freund: Das eigene Problem / den eigenen Wunsch be­schrei­ben. Die Sachlage wie ein gu­ter Freund von allen Seiten be­leuch­ten. Bewusstwerden, was und wa­rum man es so sieht. Dann eine Vor­ge­hens­wei­se erarbeiten und do­ku­men­tie­ren, die Fortschritte, aber auch die Niederlagen.
  •  Fragenkatalog: Man stellt sich jeden Tag die gleichen Fragen. Beispiele?
    Wofür bin ich heute dankbar? Was hat mir Freude bereitet? Wie lautet meine wichtigste Aufgabe für den heutigen Tag? Womit habe ich mir / Anderen heute eine Freude ge­macht? Oder, oder, oder.
  •  Thema: Eine Art Liste zu einem Thema führen. Beispiele?
    Was empfindet man als in­spi­rie­rend? Was waren die schöns­ten Er­in­ne­run­gen im ver­gan­ge­nen Jahr? Wann fühlt man sich unsicher? Und warum? Die eigenen Stärken und Schwächen aufschreiben. Was bringt mich zum Lächeln? Usw.

Übrigens, es hat einen triftigen Grund, warum das Schreiben mit der Hand vorgezogen wird. Und zwar ist es nicht nur Nostalgie, die ein schöner Stift und ausgewähltes Papier hervorrufen. Beim Schreiben ist die linke Gehirnhälfte, d.h. der analytische / rationale Teil, mit Mo­to­rik beschäftigt, und die kreative / in­tu­i­ti­ve rechte Gehirnhälfte hat freie Bahn: Worte, Gefühle, Gedanken fließen viel leichter von der Hand.

Um es nicht zu verschweigen: Ta­ge­buch­schrei­ben kann manchmal auch unschön sein. Sich selbst kritische Fragen zu stellen und in der eigenen Gefühlswelt zu forschen, ist nicht nur entspannend.
Wozu also der ganze Aufwand?

  •  Man lernt, die eigenen Gedanken anzunehmen und weniger zu be­wer­ten.
  •  Es befreit, wenn man Belastendes aufschreibt.
  •  Man findet leichter einen neuen Blickwinkel bei auftretenden Pro­ble­men.
  •  Persönliche Erinnerungen und die eigene Entwicklung werden fest­ge­hal­ten.
  •  Man entwickelt bewusst Acht­sam­keit gegenüber Anderen und sich selbst.

Und das lohnt sich!

Unsere Kolumnistin

Claudia Eißing


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